Die Macht der Musik – Wie sie sich auf Geist und Körper auswirkt
Musik begleitet die Menschen überall. Ob auf dem Weg zur Arbeit im Autoradio, beim Training im Fitnessstudio, ganz bewusst auf Konzerten, über Streamingsdienste auf dem Handy oder auch im Fahrstuhl im Hotel oder beim Einkaufen im Hintergrund – Fast überall hört man irgendwelche Musik. Dass uns diese Musik häufig glücklicher oder auch einmal nachdenklicher macht und zum Tanzen animieren kann, ist klar. Doch Musik hat eine viel größere Macht, als die meisten Menschen annehmen würden. Wie diese Mac
Wie mächtig ist Musik? Das beste Beispiel: Kinder
Um sich von der Macht der Musik ein gutes, erstes Bild machen zu können, kann man sich einfach einmal ihren Einfluss auf Kinder anschauen. Ihr habt sicher auch schon oft gehört, dass Kinder, die schon früh ein Instrument lernen oder mit Musik intensiver in Berührung kommen, bestimmte Gehirnareale stärker trainieren. Oder dass Babys, die bereits im Mutterleib durch die während der Schwangerschaft permanent gehörte Klassiksammlung der Eltern beeinflusst werden, sich später besser konzentrieren können und, dass ihre motorischen Fähigkeiten ausgeprägter sind. Das ist natürlich alles sehr vage. Dennoch ist da an allem auch etwas dran.
Prof. Dr. med. Eckart Altenmüller, Neurologe und Direktor des Instituts für Musikphysiologie und Musikermedizin an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH), erklärt als wissenschaftlicher Experte Folgendes:
"Musizieren fördert die Entwicklung des Gehirns durch Vernetzung und durch die Vergrößerung bestimmter Nervenbahnen. Es werden besonders günstige Netzwerke zwischen dem Hören und Bewegen angelegt, also zwischen den Schläfenlappen, wo das Gehör repräsentiert ist, und den Planungs- und Bewegungszentren im Stirnhirnlappen."
Die Story mit der Klassiksammlung spielt übrigens meistens auf den sogenannten "Mozart-Effekt" an. Dieser bezeichnete anfangs eine kurzfristige Verbesserung der kognitiven Leistungen durch bestimmte Stücke von Wolfgang Amadeus Mozart. Heute werden darunter häufig diese Leistungsverbesserungen durch grundsätzliches Musikhören oder -machen, aber etwa auch durch sportliche Aktivitäten verstanden. Altenmüller ist überzeugt, dass Musik noch viel mehr Macht hat.
So sei gerade auch die Wirkung gemeinschaftlichen Musizierens, vor allem im frühen Kindesalter, extrem nachhaltig und eben nicht nur kurzfristig wirksam. Sowohl die rationale Planung als auch eine emotionale ganzheitliche Wahrnehmung würden dadurch gefördert. Neuere Studien gehen außerdem davon aus, dass auch das Kooperationsverhalten bei Kindern durch gemeinsames Musizieren positiv beeinflusst wird.
Prof. Michael Schulte-Markwort, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik am Universitätsklinikum Eppendorf, bestätigt sogar das erwähnte Musikerleben des Embrios in der Schwangerschaft. "Experimente haben ergeben", erklärt er, "dass Babys schon im Mutterleib auf eine bestimmte Musik mit Beruhigung reagieren und sie auch nach ihrer Geburt wiedererkennen".
Er betont weiterhin, dass Musik zusätzlich zur Sprache für Kinder wichtig sei, da sie andere Gehirnzentren anspreche. Gleichzeitig wirke das eine sich positiv auf das andere aus: "Untersuchungen haben gezeigt, dass die Sprachentwicklung der Kinder besser und schneller abläuft, wenn sie viel Musik hören".
Selbst der Deutsche Bundestag animierte übrigens in dem Text „Die Wirkung von Musik auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern“ der Wissenschaftlichen Dienste dazu, Kinder früh und professionell an Musik zu führen. Dafür lassen sich etwa diverse Musikprojekte im Rahmen von Anstrengungen etwa zur Gewaltprävention an Schulen zu verfolgen. Auch österreichische Wissenschaftler weisen immer wieder auf den Stellenwert von Musik in der Schule hin. Es könnte also durchaus sein, dass mit weiterer Forschung und zusätzlichen psoitiven Erkenntnissen Musikerziehung zukünftig in Schulen eine deutlich wichtigere Rolle spielen wird.
Wie Musik sich auf die Psyche auswirkt
Musik erzeugt Freude und Trauer gleichermaßen - Natürlich wirkt Musik nicht nur auf Kinder in beschriebener intensiver Weise. Auch Erwachsene werden von ihr massiv beeinflusst. Neben einigen körperlichen Auswirkungen, auf die an späterer Stelle zu sprechen sein wird, schauen wir uns zunächst einmal ein, wie sich Musik auf verschiedenste Art und Weise auf die menschliche Psyche auswirkt.
Denkt man an Musik und was sie mit uns macht, kommen einem vermutlich zuallererst Emotionen in den Sinn. Fast jeder hat sie, diese Lieder, bei denen man einfach mitsingen muss oder den Drang verspürt aufzustehen und zu tanzen. Oder bei denen man einfach nicht anders kann, als zu grinsen oder zu lachen, weil die Musik einen mit Freude erfüllt. Dann wiederum gibt es aber auch Lieder, die wir bewusst hören, obwohl sie uns traurig machen. Wir fühlen uns in beiden Fällen irgendwie "verbunden" mit der Musik und lassen uns freiwillig von ihr motivieren, trösten oder auf andere Art und Weise erfüllen.
Dass Musik uns glücklich, traurig oder auch aggressiv und genervt machen oder uns beruhigen und entspannen kann, steht fest. Doch woran liegt das?
Zum einen, erklärt Prof. Dr. Günther Bernatzk von der Universität Salzburg, habe die Struktur der Musik damit zu tun:
"Musik löst – je nach ihrer Struktur – bei allen Menschen vergleichbare Reaktionen aus. Eine wichtige Bedeutung haben dabei die Charakteristika der Musik selbst, wie Tongeschlecht (Dur oder Moll), Lautstärke, Tempo, Melodik, Rhythmik, Harmonik, Timbre (Klangfarbe), Tonhöhe, Phrasierung und Artikulation.
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass unser Gehirn das Tempo leichter verarbeiten kann als das Tongeschlecht. Musik in Moll und ein langsames Tempo machen traurig. In Verbindung mit raschem Tempo kann das Tongeschlecht Moll Gefühle von Ärger oder Furcht hervorrufen. Ein schnelles Musikstück in Dur hingegen wird als fröhlich empfunden und kann unsere Stimmung heben. Eine in langsamem Tempo gespielte Musik in Dur wirkt beruhigend und ausgleichend.“
Die Tatsache, dass bestimmte Musikstücke nachweislich durch etwa ihr Tempo bestimmte Effekte hervorrufen, wird seit Langem auch in der Musiktherapie genutzt. Musik kann dann innerhalb kürzester Zeit helfen, die Stimmung zu heben oder etwa Stress abbauen zu können.
Dass Musik sogar nachweislich ähnlich wirken kann, wie gutes Essen oder gar Sex und Drogen ist noch nicht so lange bekannt. Kanadische Neurowissenschaftler und vor Kurzem auch US-amerikanische Forscher konnten allerdings nachweisen, dass das Anhören von Musik im Belohnungszentrum unseres Gehirn die Ausschüttung von Dopamin auslöst. Dopamin wird gemeinhin auch als das Glückshormon bezeichnet, welches Ereignisse kennzeichnet, die sehr positiv und wichtig für unser Überleben sind. Der Neurowissenschaftler Robert J. Zatorre ist überzeugt, dass Musik mehr ist, als ein kleiner Stimmungsaufheller:
"Ich denke nicht, dass wir Musik im wörtlichen Sinne zum Überleben brauchen, denn im Gegensatz zu Essen oder Wasser können wir auf Musik ja verzichten. Aber die Tatsache, dass sie die gleichen Hirnregionen aktiviert, deutet vielleicht darauf hin, dass wir doch ähnlich viel davon haben wie von Substanzen, die überlebenswichtig sind."
Musik und die Konzentrationsfähigkeit
Wird Musik gezielt zur Leistungssteigerung eingesetzt, dann meist, um länger und konzentrierter arbeiten zu können. Auch viele Künstler nutzen Musik, um sich voll und ganz auf den kreativen Schaffensprozess einlassen zu können. Doch was ist dran, an der These des Konzentrationsförderers Musik?
Auch hier spielt offensichtlich der „Mozart-Effekt“ wieder eine Rolle. Es gibt verschiedene Studien, die gezeigt haben, dass Versuchsteilnehmer Denkaufgaben besser lösen konnten, wenn sie vorher einen Satz aus einer Mozart-Sonate hörten. Nachfolgestudien konnten diesen Effekt allerdings nicht wiederholt bestätigen.
Fest steht aber, dass ruhige, langsame Instrumentalmusik zumindest keine negativen Wirkungen auf die menschlichen Lern- und Denkleistungen hat. Sie hilft auf jeden Fall dabei, die Stille zu durchbrechen, die viele Menschen nur schwer ertragen und in der sie sich daher auch schlechter konzentrieren können. Außerdem überdeckt sie andere, fast immer vorhandene Geräusche, die wiederum deutlich störender sein können, als die leise Musik. Das können Straßengeräusche sein, das Klackern der Heizung, Gesprächsfetzen aus dem Nebenraum oder Geräusche der Nachbarn, aber auch das Brummen elektronischer Geräte, wie eines Computers.
Dennoch hat die Musik nicht nur die Macht, die Konzentration zu fördern. Sie kann ihr auch massiv schaden. Darauf weist Maria Klatte hin, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Kognitions- und Entwicklungspsychologie der Technischen Universität Kaiserslautern tätig ist.
Eine entscheidende Rolle beim Störfaktor von etwa Baustellengeräuschen auf der Straße sei auch, dass man hier nicht einfach weghören könne. "[…] er zieht die Aufmerksamkeit auf sich und unterbricht unsere Gedanken. Dasselbe gilt auch für den Lärm einer Party."
Musik gegen Depressionen und Alzheimer
Auch, wenn Musik auch negative Effekte auf unsere Psyche und unser Denken haben kann, spüren wir früher oder später doch, wenn Musik uns nicht gefällt und gut tut. Wir schalten dann einfach ab oder suchen uns gezielt Musik, die uns glücklich macht oder die wir aus irgendeinem Grund interessant finden. In der Medizin werden sowohl der stimmungsaufhellende, als auch der konzentrationsfördernde Effekt der Musik gezielt genutzt, um etwa gegen psychische Krankheiten vorzugehen. Ängste und Depressionen, aber auch Demenz und Alzheimer lassen sich mit Musik angeblich besonders gut therapieren.
Vera Brandes, Leiterin des Forschungsprogramms Musik-Medizin der Paracelsus Privatuniversität Salzburg, hat in Kooperation mit diversen Institutionen die weltweit größten Studien zur Musikwirkung auf depressive Erkrankungen durchgeführt. Dafür wurden über zweihundert depressive Patienten mit Hilfe von Musik therapiert. Teilnehmer der Placebo-geprüften Doppelblind waren Patienten, die zuvor noch nie therapiert wurden, aber auch einige, die in der Vergangenheit schon viele Versuche ohne zufriedenstellende Ergebnisse hinter sich hatten.
Stefan Kölsch wiederum, Neurowissenschaftler, Psychologe und Soziologe an der norwegischen Universität von Bergen, unterstreicht auch den der Wert der Musik für ältere Menschen. Er betreut eine Langzeitstudie, die speziell den Einfluss von Musik auf den Verlauf von Alzheimer erforscht. Auch, wenn die Ergebnisse noch auf sich warten lassen, verspricht sich Kölsch einiges. Denn kleinere Studien aus aller Welt haben die heilende Kraft der Musik ja bereits nachgewiesen.
Kölsch hofft, dass Melodien und Rhythmen den Verlauf einer Demenz nicht nur mildern können. Vielmehr könnte Musik mitunter sogar wie eine Art Frischzellenkur wirken durch die neue, gesunde Gehirnzellen entstehen.
Was Musik bei älteren Menschen definitiv auslösen kann, sind positive Emotionen, die sich auf Erlebnisse in der Vergangenheit beziehen. Das Langzeit-Musikgedächtnis nämlich scheint erstaunlich immun gegen den geistigen Verfall zu sein. Patienten, die sich sonst vielleicht an kaum noch etwas erinnern können, reagieren auf die richtigen Stücke ihrer Jugend etwa häufig noch mit überschwänglicher Freude – Und können sie manchmal sogar noch mitsummen oder mitsingen.
Wenn Musik Entscheidungen beeinflusst
Die Macht der Musik erstreckt sich so weit, dass sie ständig auch in verschiedenen Situationen im Alltag wirkt, ohne, dass wir uns dessen bewusst sein mögen. Sie kann damit auch zu einer Möglichkeit werden, subtil unsere Entscheidungen zu beeinflussen, die wir vielleicht manchmal auch aus einer spontanen Laune heraus treffen.
Dazu ist zunächst zu verstehen, dass Entscheidungen in über 70 bis 80 Prozent aller Fälle unbewusst gefällt werden. Die Machthaber über unsere Entscheidungen sind dabei unsere Emotionen. Diese entscheiden, vereinfacht gesagt, was wir als wichtig ansehen und was als unwichtig. Auf dieser Grundlage entscheiden wir uns dann dafür, etwas zu tun oder es eben sein zu lassen.
Da die Musik, wie bereits klar geworden sein dürfte, in verschiedenster Weise in der Lage ist, unsere Emotionen zu beeinflussen, kann sie damit natürlich auch recht direkt auf unsere Entscheidungen einwirken.
Musik kann dabei beispielsweise beruhigend und gegen Einsamkeit und schlechte Stimmung wirken – verschiedene, Playlists, Künstler und Musikevents helfen dabei und bringen einen auch durch stressige Zeiten. Sind wir entspannt, treffen wir in der Regel auch rationalere Entscheidungen. Doch selbst das kann in manchen Situationen und Fällen auch genau anders aussehen.
Ein gutes Beispiel ist der Bereich des Glücksspiels. Eine Studie, die vom Norwegischen Forschungsrat finanziert wurde, untersuchte den Einfluss von Musik auf das Spielverhalten von 101 Studienteilnehmern. Die Hälfte der Spieler bekam während des Spielens langsamem Jazz zu hören, die andere Hälfte Popmusik. Erstaunlich waren die Ergebnise: Beide Genres führten dazu, dass die Spieler bereit waren, riskanter zu spielen. Die schnellere Popmusik führte zu einem schnelleren Wetttempo. Der Jazz jedoch brachte die Spieler dazu, mehr Wetten zu platzieren und damit länger zu spielen.
In Supermärkten, anderen Ladengeschäften oder etwa auch in Restaurants, wird Musik darüber hinaus gezielt dazu genutzt, die Emotionen der Kunden zu beeinflussen. Werden sie in die richtige Stimmung versetzt, sind sie eher gewillt, großzügiger einzukaufen oder mehr zu bestellen.